15 Tipps an denen Ihr eine gute kinderärztliche Praxis erkennt

19. Januar 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik,

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Eine Kinderarztpraxis ausfindig zu machen ist einfach, aber ob ihr hier mit Eurem Kind noch als Patient aufgenommen werdet, ist eine andere Frage.

 

Besonders im ländlichen Raum ist es oft schwierig eine erreichbare Kinderarztpraxis zu finden, die noch Familien aufnimmt und der man sich wohl fühlt ohne als "Massenware" abgefertigt zu werden.

 

Die Wahl des richtigen Kinderarztes hat sehr viel mit Vertrauen und Bauchgefühl zu tun. Nur wenn Ihr dem Kinderarzt vertraut werdet ihr die Diagnosen und Behandlungsmethoden nicht anzweifeln und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

 

Daher möchte ich Euch hier mit einigen Tipps ausstatten, die Euch helfen eine gute kinderärztliche Praxis zu erkennen:

 

  1. Kann ich die Praxis gut erreichen?
  2. Ist die Praxis gut organisiert?
  3. Werden mein Kind und wir freundliche und respektvoll von allen Mitarbeitern behandelt?
  4. Nimmt der Kinderarzt/die Kinderärztin mich und mein Anliegen ernst?
  5. Werden in der Praxis Persönlichkeit und Intimsphäre von Kindern und uns Eltern gewahrt und respektiert?
  6. Erhalte ich eine verständliche und neutrale Aufklärung, Information und Beratung über/bei Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen und im akuten Krankheitsfall?
  7. Werden die Wünsche, Sorgen und Ängste von Kinder und Eltern miteinbezogen?
  8. Akzeptiert mein Arzt das ich im Zweifel eine andere Meinung einhole, bzw. eine andere Meinung habe?
  9. Wird in der Praxis der Schutz der persönlichen Daten gewahrt?
  10. Kann ich erkennen ob der Arzt und seine Mitarbeiter an Fortbildungsveranstaltungen oder Maßnahmen zur Qualitätssicherung teilnehmen?
  11. Wird in der Praxis auf möglichst große Sicherheit für kleine Patienten geachtet?
  12. Erhalte ich ohne Probleme Zugang zu meinen Patientenunterlagen bei Umzug, Arztwechsel oder wenn ich sie einfach brauche?
  13. Kooperiert die Praxis mit anderen Ärzten, Praxen, Fachrichtungen?
  14. Bekomme ich Hinweise auf weiterführende verlässliche Beratungs- und Informationsangebote?
  15. Und zuletzt und doch extrem Wichtig: Ihr und Euer Kind fühlt Euch wohl in der Praxis und vertraut dem Kinderarzt!

 hier auch direkt mal die Übersicht der regionalen Kinderärzte

 

 

Und das steckt dahinter:

 

Kann ich die Praxis gut erreichen?

Hier im ländlichen Raum ist es schon schwer genug, überhaupt einen Kinderarzt zu finden. Hinzu kommt, das die Wege zu den Praxen meist recht weit sind. Daher sollte man sich bei der Wahl des Kinderarztes auch folgendes überlegen:

  • Wie kann ich im akuten Krankheitsfall die Praxis erreichen?
  • Habe ich immer ein Auto zur Verfügung oder gibt es funktionierende Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel/Taxibus etc. oder kann ich mir notfalls ein Auto leihen?
  • Wie lang ist die Anfahrtszeit/Anfahrtsweg zur Praxis? Können wir es als Eltern organisieren mit einem kranken Kind und ggf. auch noch Geschwisterkindern im Auto 20 oder 30Min. lang durch die Gegend zu fahren? Bei manchen Erkrankungen wie Erbrechen und Durchfall können einige Minuten schon zu lang sein und auch wenn man mit einem Säugling im Auto unterwegs ist, der nach der ganzen Aufregung von z.B. einer Impfung, sich nicht mehr beruhigen lässt und so lange schreit bis er erbricht oder sich regelrecht wegschreit, ist es sehr schwer sich dabei noch auf den Straßenverkehr zu konzentrieren! Und was machen wir im Winter? Kann bzw. möchten wir als Eltern mit einem kranken Kind bei schlechten Witterungs- und Straßenverhältnissen, auf Landstraßen, 30 oder vielleicht auch 40 km quer durch die Eifel fahren?

 

Ein guter Kinderarzt verfügt über ausreichend Parkmöglichkeiten. Die Wege zur und in der Praxis sind gut ausgeschildert und breit genug, um auch einmal mit dem Kinderwagen zu rangieren. Die meisten Praxen haben allerdings nicht den Platz um Kinderwagen/ bzw. Quinnies unterzubringen. Daher bleiben die Wagen und Gestelle meist vor der Türe stehen.

Also bitte zur das Nötigste mitnehmen damit ihr Euch in der Praxis auch noch bewegen könnt.

 

 

Ist die Praxis gut organisiert?

 

Es gibt nichts nervigeres als wenn man ein krankes Kind zu Hause hat und der Kinderarzt ist nicht zu erreichen. Oder noch schlimmer man hängt Ewigkeiten in der Warteschleife und wird genötigt, sich überlaute und quietschende Musik anzuhören, um dann nach 20 Minuten aus der Warteschleife entfernt zu werden, gerne auch mit dem Satz: Alle Leitungen sind belegt,

versuchen sie es später nochmal.

 

Oder man kommt endlich durch und am anderen Ende kommt nur eine genervte Arzthelferin mit den Worten: „ Praxis Dr. Sonstwas, Augenblick bitte…“ und dann darf man minutenlang allen Gesprächen in der Praxis lauschen.

Und wenn Ihr endlich kommen dürft, sitzt Ihr dann ggf. mit Termin immer noch 1-2 Stunden in vollgestopften und sehr beengten Wartezimmern.

 

Jedes gesunde Kind ist spätestens nach einem Vorsorgetermin beim Kinderarzt dann auch krank.

 

 

Eine gut organisierte Praxis läuft aber anders:

  • Sie ist gut telefonisch erreichbar wenn die Praxis geschlossen ist, läuft ein Band mit der Adresse und Telefonnummer des Vertretungsarztes sowie der Erreichbarkeit des nächsten Krankenhauses und des Notruf.
  • Termine werden nicht vergeben, sondern abgesprochen. Hier finden auch Eure Arbeitszeiten, Schul- und Kitazeiten Berücksichtigung und bestenfalls auch die Anfahrtswege.
  • Keine langen Wartezeiten auf Termine, im Akutfall könnt Ihr am gleichen Tag noch kommen
  • Keine langen Wartezeiten in der Praxis
  • Es gibt mehrere Wartezimmer/-bereiche, idealerweise für größere Kinder mit Beschäftigungsangeboten und für Babys einen ruhigeren Bereich mit Wickelmöglichkeit
  • Trennung von Kindern die krank sind und Kindern die zur Vorsorge/Impfung o.ä. kommen
  • Ein guter Kinderarzt behandelt auch Kinder, die eigentlich zum Patientenstamm eines Kollegen gehören, egal ob diese Praxis geschlossen hat, man sich irgendwo im Urlaub befindet oder der Anfahrtsweg zum Vertretungsarzt zu weit ist.

 

Der Umgangston in der Praxis

 

Ein freundlicher und höflicher Umgang sollte zwischen den Menschen generell herrschen, egal ob am Telefon oder im direkten Kontakt. Aber nicht immer halten wir uns daran: Wir sind in Sorge um unser Kind, genervt und gestresst, weil wir vielleicht die ganze Nacht nicht geschlafen haben und uns dann auch noch in ein volles Wartezimmer setzen müssen.

 

Ja, das ist anstrengend.

Aber auch für die Mitarbeiter der Praxen!

 

Diese haben den ganzen Tag mit schreienden Kindern und gestressten Eltern zu tun und der Arzt drängt vielleicht auch noch auf zügigeres Arbeiten, damit sich der Patientenstau auflöst.

 

Hier gilt es einfach ruhig bleiben und tief durchatmen. Verständnis für sein Gegenüber und ein charmantes Lächeln helfen hier ungemein und das gilt für alle Seiten.

 

Hinzu kommt der Respekt für sein Gegenüber. Aber auch Ärzte sind keine Halbgötter in Weiß, den Respekt den wir ihnen und ihrer fachlichen Kompetenz entgegenbringen, sollten sie auch uns schenken. Denn wir sind die Eltern und kennen unser Kind und sein „normales Verhalten“ am besten!

 

Ein guter Arzt hört erst einmal zu, fragt ggf. nach und untersucht dann das Kind. Er wird dem Kind während der Untersuchung versuchen Ängste zu nehmen und nach der Untersuchung ausführlich mit uns Eltern sprechen.

 

Gebt den Ärzten erst einmal Zeit für eine gute und gründliche Untersuchung, bevor Ihr sie mit weiteren Fragen bombardiert.

Ihr solltet Vertrauen zu „Eurem“ Kinderarzt haben und das Gefühl, das es einfach passt. Es gibt nichts schlimmeres als ein krankes Kind zu haben und sich dann nicht sicher zu sein, ob die Untersuchung oder die Diagnose und Behandlung des Arztes richtig sind.

 

Hier sei gesagt: wir haben in Deutschland die freie Arztwahl. Theoretisch könnt Ihr jederzeit den Kinderarzt wechseln!

 

Ein guter Arzt wird Euch und den Grund für Euren Besuch immer ernst nehmen, auch wenn es nur ein Schnupfen oder Einschlafprobleme beim Kind sind. Im Zweifelsfall immer einmal mehr zum Kinderarzt als einmal zu wenig und das sollte er Euch auch vermitteln.

 

 

Zwei Meinungen und nun…

 

Es gibt kaum zwei Menschen die exakt die gleiche Meinung haben, das gilt auch im Umgang mit dem Kinderarzt. Irgendwann ist es soweit und Ihr habt eine andere Ansicht als der Doc, was dann?

 

  1. der Arzt sollte euch zuhören und ausreden lassen, auch wenn ihr anderer Ansicht seid
  2. er sollte Euch seine Meinung zum Thema darlegen, verständlich und nachvollziehbar mit Begründung, ggf. Vor- und Nachteile aufzeigen
  3. der Arzt sollte höflich und freundlich bleiben und sich nicht direkt in seinen Kompetenzen angegriffen fühlen, es gilt die Neutralität zu wahren und wertfrei zu beraten nun gibt es mehrere Möglichkeiten:
  • Der Arzt hat Euch überzeugt und ihr einigt Euch auf seinen Vorschlag bzw. auf einen Kompromiss.
  • Ihr seid weiterhin unterschiedlicher Meinung. Dann ist es möglich, dass Ihr Euch trotzdem auf einen   Kompromiss       einigt, z.B. eine zweite Meinung einholt, Ihr noch weitere Infos bekommt und dann noch einmal miteinander sprecht.
  • Ihr Euch nicht einigen könnt und ggf. Unterschreiben müsst, das eine Behandlung oder Untersuchung nicht erfolgt. Dies geschieht, damit sich der Arzt entsprechend absichern kann, falls es zu Komplikationen beim Kind kommt. 
  • Wenn Ihr einmal nicht gleicher Meinung mit Eurem Kinderarzt wart, solltet Ihr das nicht bei jedem Besuch wieder zu spüren bekommen.

     

 

Warum Fortbildungen und Kooperationen wichtig sein können…

 

Auch Ärzte sollten sich regelmäßig Fort- und Weiterbilden, egal in welchem Alter. Aber auch Sie müssen nicht alles wissen, sondern notfalls einfach wissen, an wen sie sich wenden können. Eine Kooperation zwischen Praxen und Einrichtungen kann hier hilfreich sein. Beispielsweise kann die Zusammenarbeit mit einer Hebamme oder Stillberaterin mit medizinischer Ausbildung dem Arzt eine große Hilfestellung sein, wenn es darum geht eine längere Phase von Babys Entwicklung zu beurteilen und zum Beispiel einer Gedeihstörung auf den Grund zu gehen.

 

Von ihrer Grundausbildung sind Ärzte zwar in vielen verschiedenen Bereichen tätig gewesen, aber die Einheiten zu speziellen Themen können sehr unterschiedlich ausgefallen sein. Ein Kinderarzt ist zwar in der Lage Euch über Säuglingsnahrung und Stillen im allgemeinen zu informieren, aber bei Stillproblemen und den Ursachen für eine schlechte Gewichtsentwicklung beim Stillkind ist er nicht unbedingt die beste Wahl. Hier ist die Frage, wo er seinen Schwerpunkt legt.

 

Wenn Ihr in der Praxis bereits die Proben der Säuglingsnahrungshersteller herumstehen seht und als „Geburtsgeschenk“ gleich die Infotüte mit den Proben und den Schnuller bekommt, spricht das nicht für einen Schwerpunkt auf Stillen und Co.

 

Ähnliches gilt übrigens auch für Krankenhäuser und ja auch für Hebammen. Nicht jede Hebamme hat einen

Schwerpunkt im Bereich Stillen. Sie macht zwar Stillberatung, aber dass was sie in ihrer Ausbildung dazu gelernt hat, ist kein Vergleich zur Weiterbildung die eine  Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte in der Klinik oder Still- und Laktationsberaterin IBCLC hat.

 

 

Die Praxisgestaltung:

 

Eine Kinderarztpraxis sollte nicht nur hell und kinderfreundlich sein, sondern auch sicher, das bedeutet:

  • Steckdosen sind gesichert
  • Inventar, wie Stühle und Tische mit abgerundeten Kanten und Kippsicherheit
  • Räume lassen sich gut lüften, bzw. werden regelmäßig gelüftet, Fenster lassen sich aber nicht einfach öffnen, bzw. sind
  • verschlossen / lassen sich nur Kippen
  • Klemmschutz an Fenster und Türen
  • defektes Spielzeug wird umgehend aussortiert
  • Sanitärbereich ist kindgerecht
  • Desinfektionsmittelspender sind vorhanden und werden auch genutzt, aber sind außerhalb der Reichweite von Kindern
  • Flächendesinfektion im Behandlungszimmer, auch von Gegenständen wie z.B. dem Stethoskop (wird oft erst gemacht wenn der Patient schon weg ist) oder Gebrauch von Einmalunterlagen
  • Händedesinfektion vor- und nach Patientenkontakt

 

 Und für den Datenschutz:

  • Keine Karteikarten im Behandlungszimmer, die nicht zum Patienten gehören
  • Bildschirmschoner am Computer, nach kurzer Zeit
  • Patientengespräche werden nicht auf dem Flur geführt
  • Diskretionsabstand an der Anmeldung
  • Wartebereich ist räumlich von der Anmeldung getrennt
  • Auch am Telefon gilt Diskretion: keine telefonischen Auskünfte, die zuvor nicht abgesprochen waren

 

Egal für welchen Kinderarzt oder welche Kinderärztin ihr Euch entscheidet, diese Entscheidung ist nicht unumstößlich! Lernt Arzt/Ärztin und Praxis kennen, fragt Freunde und Bekannte nach Ihren Erfahrungen. Aber vergesst bitte nicht: Ihre Erfahrungen müssen nicht Eure sein. Ihr benötigt Euer eigenes Bild und wenn Ihr und Eure Kinder sich dann wohl fühlen, habt Ihr Eure Praxis gefunden.

Dann wünsche ich nur, das der Arzt/Ärztin nicht zu schnell in Rente geht, sonst geht die Suche schnell von vorne los.

 

 

                                                                              Mit lieben Grüßen und bis bald,

Copyright © 2018 Andrea Böttcher



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