Das neue Mutterschutzgesetz - eine Kompromisslösung für Frauen und Arbeitgeber: Vorteile für Schwangere und Nachteile für stillende Frauen

7. Januar 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik,

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung                                                                                                                                                                                           

Auf erwerbstätige Schwangere und stillende Frauen kamen zu Beginn diesen Jahres einige Änderungen zu. 

 

Ich meine das neue Mutterschutzgesetz

 

Nach rund sechzig Jahren wurde es nun grundlegend reformiert mit der Zielsetzung, die Gesundheit der Frauen und der Kinder zu schützen, egal ob in der Schwangerschaft, nach der Entbindung oder in der Stillzeit.

 

„Ziel des Mutterschutzrechts ist es, den bestmöglichen Gesundheitsschutz für schwangere und stillende Frauen zu gewährleisten. Es soll nicht dazu kommen, dass Frauen durch Schwangerschaft und Stillzeit Nachteile im Berufsleben erleiden oder dass die selbstbestimmte Entscheidung einer Frau über ihre Erwerbstätigkeit verletzt wird. Damit werden die Chancen der Frauen verbessert und ihre Rechte gestärkt, dem Beruf während Schwangerschaft und Stillzeit ohne Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und der ihres Kindes weiter nachzugehen.“ Quelle: BMFSFJ 2018

 

 

Das Gesetz wurde in vielen Bereich ausgeweitet, so gilt es nun nicht nur für erwerbstätige Frauen, egal in welchem Umfang der Beschäftigung, sondern auch in Teilen für Studentinnen, Praktikantinnen und Schülerinnen.

 

Im Vorfeld hat es viele Diskussionen über die möglichen Inhalte gegeben. Viele Organisationen wurden, mit Bitte zur Stellungnahme, an der Gestaltung eines modernen und zeitgemäßen Mutterschutzgesetzes an der Entstehung beteiligt.

 

Natürlich hat jede Organisation und Vereinigung ihren ganz persönlichen Schwerpunkt, nicht immer konnte alles einbezogen werden. Herausgekommen ist eine deutlich zeitgemäßere Auffassung der Mutterschaft.

 

Doch wie bei allen Kompromissen gibt es Vor- und Nachteile.

 

Hier gebe ich Euch einen Überblick über die wichtigsten Inhalte:

Mutterschutzfristen und Beschäftigungsverbote:

 

  • Tätigkeiten in den letzten sechs Wochen vor Entbindung nur mit Einwilligung der Schwangeren

 

Beschäftigungsverbot nach Entbindung grundsätzlich:

  • acht Wochen vor und zwölf Wochen nach Geburt
  • bei Früh- und Mehrlingsgeburten
  • Bei einer vorzeitigen Entbindung verlängert sich die Schutzfrist nach Geburt, um die Tage die zuvor nicht in Anspruch genommen wurden.
  • Verlängerung auf zwölf Wochen, auf Antrag, wenn innerhalb der ersten acht Lebenswochen eine Behinderung beim Kind festgestellt wird
  • Wenn der Arbeitsplatz bzw. die Arbeitsbedingungen für eine Stillende nicht so gestaltet werden können, das keine Gefährdung für die Gesundheit von Mutter und Kind entsteht

 

Weitere Beschäftigungsverbote:

  • Bei Akkord-, Fließband- und Mehrarbeit, dabei gibt es eine neue Regelung zur höchsten zulässigen Mehrarbeit in Teilzeitbeschäftigung
  • Sonntag- und Nachtarbeit (branchenunabhängig)
  • Nachtarbeit zwischen 20 Uhr und 22 Uhr kann durch ein behördliches Genehmigungsverfahren und auf ausdrücklichen Wunsch der Frau erlaubt werden

 

Schutz vor finanziellen Nachteilen:

  • Mutterschaftsgeld 
  • Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld während der Mutterschutzfristen
  • Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten außerhalb der Mutterschutzfristen (sogenannter Mutterschutzlohn)

 

Urlaubschutz:

 

Urlaubsansprüche entstehen:

  • während einem Beschäftigungsverbot
  • Mutterschutzfristen

 

Kündigungsschutz:

  • von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach Entbindung
  • nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche

 

Stillen bei Erwerbstätigkeit:

 

Der Arbeitgeber hat eine stillende Frau auf ihr Verlangen während der ersten zwölf Monate nach

der Entbindung für die zum Stillen erforderliche Zeit freizustellen, mindestens aber:

  • zweimal täglich für eine halbe Stunde oder
  • einmal täglich für eine Stunde.

 

Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden soll auf verlangen der Frau

  • zweimal eine Stillzeit von min. 45 Min.
  • oder wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillpause von min. 90Min. gewährt werden.

 
Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Ruhepause von mehr als 2 Stunden unterbrochen wird.

 

 

Entgelt bei Freistellung zum Stillen:

  •  Kein Verdienstausfall durch Freistellung zum Stillen.
  • Freistellungszeiten dürfen weder Vor- noch Nachgearbeitet werden.
  • Freistellungszeiten werden nicht auf Pausenzeiten angerechnet.

 

Pflichten des Arbeitgebers:

  • Schwangerschaft und Stillzeit müssen den zuständigen Aufsichtsbehörden mitgeteilt werden.
  • Eine Beschäftigung und Arbeitsplatzgestaltung muss so erfolgen, das die Schwangere/Stillende vor einer Gesundheitsgefährdung ausreichen geschützt ist.
  • Gespräch zwischen Schwangere/Stillende und Arbeitgeber zur Beurteilung der Arbeits(platz)situation muss angebotenwerden/erfolgen
  • Klärung der Aufsichtsbehörden im Einzelfall
  • Aufsichtsbehörden können die Einrichtung/das Bereithalten von Räumlichkeiten zum Stillen anordnen
  • Frauen und Arbeitgeber können sich bei Fragen/Problemen an die Aufsichtsbehörden wenden

 

Ausschuss für Mutterschutz:

  • Ein Ausschuss für Mutterschutz wird eingerichtet, dieser stellt sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln zum Schutz der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes auf gibt Empfehlungen zu Art, Ausmaß und Dauer der möglichen unverantwortbaren Gefährdung einer Schwangeren oder Stillenden.
  • Er berät  das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in allen Fragen des Mutterschutzes.

 


 

Soviel zu den gesetzlichen Aspekten. Allerdings sehe ich wie viele Kollegen auch, Probleme auf die stillenden Frauen zukommen.

 

Das Recht auf Stillpausen wird auf die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes beschränkt.

 

Was bedeutet das für Stillende? Wer sein Kind nach Ablauf der zwölf Monate weiter stillen möchte, muss also während der Arbeitszeiten auf eine kulante Haltung des Chefs und der Kollegen hoffen. Stillpausen fallen dann ggf. in allgemeine Pausenzeiten oder müssen durch Mehrarbeit bzw. Gleitzeit ausgeglichen werden. Auch ist die Frage ob dann noch weiterhin räumliche Möglichkeiten gegeben sind, um ein Kind im Betrieb zu Stillen oder abzupumpen.

 

Was mich wirklich erschreckt ist die Begründung für diese Beschneidung der Rechte der stillenden Mutter.

Daher möchte ich mich der Stellungnahme der führenden Stillfördernden Organisationen AFS ,DAIS, Berufsverband der deutschen IBCLC und Motherhood hiermit anschließen, daher zitiere ich:

 

„Kürzlich wurde der Entwurf des neuen Mutterschutzgesetzes vorgestellt:

 

Dieser beinhaltet unter anderem eine Beschränkung des bislang zeitlich nicht begrenzten Anspruchs auf Stillpausen auf die ersten 12 Monate – mit folgender Begründung:

 

Spätestens wenn das Kind 12 Monate alt ist, ist das Stillen des Kindes weder aus ernährungsphysiologischer Sicht noch immunologischer Sicht notwendig.

 

Für diese Behauptung gibt es keinerlei uns bekannte Evidenz.

 

Wir möchten darauf hinweisen, dass keine der deutschen Fachorganisationen das Abstillen mit einem Jahr empfiehlt, die WHO das Stillen bis zum Alter von zwei Jahren und darüber hinaus empfiehlt, und daher ein entsprechend langer Schutz des Stillens dem Gesetz zugrunde liegen sollte.

 

Die geplante Beschneidung des Schutzes für stillende Mütter und ihre Kinder ist bedenklich.

 

Zu befürchten ist, dass die Begrenzung auf 12 Monate nicht nur für Stillpausen gelten wird, sondern auch zur Auslegung des Gesetzes in anderen Fragen des Mutterschutzes angewandt würde, für die im Gesetz keine explizite zeitliche Beschränkung zu finden ist: Von einer stillenden Mitarbeiterin könnte mit Bezug auf die angeblich fehlende Notwendigkeit des Stillens das Abstillen nach einem Jahr erwartet werden, um wieder uneingeschränkt einsetzbar zu sein und beispielsweise mit Gefahrstoffen, Strahlung und ansteckungsgefährlichen Stoffen arbeiten zu können.

 

Damit wäre das Befolgen der WHO-Empfehlung für berufstätige Mütter und ihre gestillten Kinder nicht mehr möglich, was einer Diskriminierung aufgrund des ausgeübten Berufs entspräche.“

 

Auch an vielen anderen Stellen ist das neue Gesetz nicht klar und deutlich formuliert:

Wenn unverantwortbare Gefährdungen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ausgeschlossen werden sollen, bedeutet das im Umkehrschluss das verantwortbare Gefährdungen für Schwangere und stillende Frauen hinnehmbar sind?

Wie war das mit dem generellen Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind?

 

Auch andere Formulierungen sind „weichgespült“ worden:  z.B.: aus eine Gefahr hat vermieden zu werden, wird sollte möglichst vermieden werden. Weitere Beispiele könnten folgen.

 

Der Referentenentwurf zum Gesetz hatte eine klare Positionierung: stärkere Priorität auf eine Beschäftigungsorientierung zu lasten des Schutzgedankens. An vielen Stellen ist man hier zwar zurückgefahren, aber anderen Stellen, wie der „Beschränkung der Stillzeit“ eben nicht.

 

Welche Folgen das neue Mutterschutzgesetz wirklich für Schwangere und Stillende Frauen hat, werden wir wohl erst in den nächsten Jahren wissen, doch für eine selbstbestimmte und uneingeschränkte Schwangerschaft und Stillzeit lohnt es sich weiterhin zu kämpfen.

 

Die Zeiten wandeln sich, vor fünfzig Jahren wurden Frauen, die arbeiten gingen anstatt sich zu Hause um Heim, Kinder und Herd zu kümmern, gesellschaftlich gerügt. Heute ist es anders rum. Wenn eine Frau nach einem Jahr „immer noch nicht“ arbeitet, muss sie mit gesellschaftlichen Reaktionen rechnen.

 

Leider ist auch unsere Politik der Meinung: Frauen müssen auch mit Kind arbeiten können, natürlich „können“ wir das. Aber möchten wir das alle? Besonders angesichts der vielen, fehlenden familienfreundlichen Arbeitgeber und Arbeits- und Betreuungszeiten.

 

Und selbst wenn ich eine Betreuungsmöglichkeit hätte:

Ich bin Mutter dreier Kinder, gut ausgebildet und seit acht Jahren in Elternzeit! Ich bin gerne Mutter und warum soll ich Kinder in die Welt setzten, um sie dann den ganzen Tag Fremdbetreuen zu lassen, meine Kinder am Abend vielleicht zwei oder drei Stunden zu sehen bevor sie ins Bett gehen? Ich liebe meinen Beruf aber auch die Erziehung meiner Kinder. Ich könnte arbeiten, doch ich wollte es nicht und hätte besonders in den ersten zwei Jahren nach der jeweiligen Geburt wunderschöne Momente verpasst. 

Hier brauchen wir ein umdenken der Politik: Weg von entweder, oder und weg von dem Gedanken: alle gut ausgebildeten Eltern (egal ob Vater oder Mutter) wollen möglichst schnell wieder arbeiten, denn da sind wir wieder bei Toleranz und Respekt in der Gesellschaft:

 

Viele Eltern wollen arbeiten und können es nicht – andere könnten arbeiten und wollen es nicht.

 

 

Das wertfrei und vorurteilsfrei zu akzeptieren ist Aufgabe der Gesellschaft.

 

                                                                                         Mit lieben Grüßen und bis bald,

Quelle:

www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/mutterschutzgesetz/73762

www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=%2F%2F%2A%5B%40attr_id=%27bgbl117s1228.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s1228.pdf%27%5D__1515317457149

www.afs-stillen.de/aktuelles/stellungnahme-zum-gesetzentwurf-zur-neuregelung-des-mutterschutzrechts/

                                                                                                                                                                                Copyright © 2018 Andrea Böttcher


Und wenn Du weitere Informationen benötigst oder Beratungsbedarf hast, melde Dich einfach bei mir! Ich unterstütze und berate Dich gerne!  einfach hier Klicken