das zu kurze Zungenband /orale Restriktionen

Das Thema kurzes Zungenband ist seit einiger zeit in aller Munde.  Bei oralen Restriktionen sprechen wir aber nicht nur von kurzen Zungenbändern, sondern sie beinhalten:

  • zu kurzes Zungenband
  • zu kurzes Lippenband
  • zu kurze Wangenbänder

und im weiteren Sinne auch funktionseinschränkende Auswirkungen durch: 

  • Spaltbildungen im Lippen-/Kiefer-/Gaumenbereich
  • weit zurückliegender Unterkiefer (Retrognathie)
  • anatomische Besonderheiten 

Ganz wichtig: nicht die Optik ist das entscheidende Kriterium, sondern die Funktion! Bänder etc. sind erst dann ein Problem, wenn sie aufgrund ihrer Ausprägung eine funktionseinschränkende Wirkung haben. 

 

 

Zungenbändchen

Ein Zungenbändchen ist eine Struktur, aus einer Art Bindegewebe, dass die Zungenunterseite mit dem Mundboden verbindet. Ist diese Struktur zu kurz, zu unelastisch oder setzt sie zu weit vorne an der Zunge an, hat sie eine funktionseinschränkende Wirkung.

Die Symptome sind dabei sehr individuell und abhängig von der Ausprägung und etlichen weiteren Faktoren. Ein Zungenband muss daher multidimensional und als Komplex angesehen werden. Ganz oft gibt es neben einem Zungenband auch noch weitere Strukturen, wie Lippenband oder Wangenbänder. Aber auch hier gilt viele Menschen werden mit Bändern geboren, ohne dass diese eine funktionseinschränkende Wirkung haben. 

 

Dabei ist es teilweise sehr schwer zu beurteilen, welche Struktur für welche Problematik verantwortlich ist. in vielen Fällen ist es schlichtweg nicht möglich. Und eigentlich auch nicht nötig, denn es ist umso wichtiger hier ganzheitlich vorzugehen. Mutter und Kind sind eine Einheit und genauso sind die oralen Strukturen und funktionsweisen als Einheit zu betrachten. Es sollten daher beide Einheiten als ein ganzheitlicher Komplex gesehen und beraten/therapiert werden. 

 

Es macht überhaupt keinen Sinn sich nur auf einzelne Symptome zu konzentrieren und diese punktuell anzugehen, genauso wenig macht es Sinn eine restriktives Band im Quickfix (also ohne Vorbereitung und Nachsorge) einfach zu trennen, in der Hoffnung, dann seien alle Probleme behoben. Aus meiner Beratungspraxis kann ich ganz klar sagen: Das funktioniert extrem selten und in der Regel dann auch nicht mit dem Erfolg, der mitsamt einer kompetenten Begleitung und interdisziplinären herangehensweise im Team zu erreichen wäre. 

 

Wichtig ist hier die genaue Überprüfung durch unterschiedliche Fachgruppen. Erster Ansprechpartner in der Stillzeit, bzw. im Säuglingsalter sollte hier eine entsprechend geschulte und gut fortgebildete  Still- und Laktationsberaterin sein. (Auch anderes Fachpersonal kann weiterhelfen, wenn eine entsprechend gute fundierte Ausbildung im Bereich des Stillens und praktische Erfahrung um Bereich des Stillens bzw. der Stillberatung vorhanden ist.) 

 

 

Das sind Beispiele für Zungenbänder in unterschiedlicher Ausprägung.

 

Dabei sind manche Bänder sehr deutlich zu erkennen und andere wie z.B. auf Bild Nr. 8 nur durch gezielte Griffe und Techniken wirklich darstellbar. Zudem gibt es durchaus Bänder, die trotz deutlicher Symptomatik erst einmal gar nicht darstellbar sind, weil sie tief in der Schleimhaut liegen. Hier ist viel Vorarbeit und Erfahrung nötig.

Bildquelle: drkotloworalhealth2015.pdf (kiddsteeth.com)

 


 

mögliche Symptome bei der Mutter z.B.:

  • schmerzen während des Stillvorgangs
  • verletzte und / oder verformte Brustwarzen
  • Symptome eines Vasospasmus: stechender starker Schmerz in die Brust, weiße bis blaulich-lila Verfärbung der Brustwarzen, Kälte Empfindlichkeit
  • Hämatome, "Knutschflecke" im Vorhofbereich
  • Probleme bei der Milchbildung (zu wenig Milch oder auch zu viel Milch)
  • ineffektive Entleerung der Brust, rezidivierender Milchstau, Mastitis
  • Handlingprobleme bei der Positionierung
  • Stillen wird als Belastung empfunden

 

 

 

mögliche Symptome beim Kind z.B.:

  • anhaltend sehr hohe Stillfrequenz bis zum Dauerstillen
  • ineffiziente Entleerung der Brust, ggf. nur abtrinken des ersten Milchspendereflex, kurzes Stillen
  • sehr unruhiges ggf. auch unzufriedenes Kind
  • Kind klemmt/beißt beim stillen
  • Kind verliert oft die Brust (an-/ab Verhalten)
  • Kind verliert das Vakuum
  • schmatzendes, klickendes, schnalzende Geräusche beim trinken
  • Milchverlust aus Mundwinkel
  • angestrengtes Trinkverhalten, dabei laute Atmung, wenig ausdauerndes Saugen
  • Schlafprobleme
  • untere Zungenruhelage, offene Mundhaltung
  • Probleme die Brust tief zu erfassen, unzureichende Mundöffnung 
  • Saugblasen, -polster an den Lippen
  • auffällige Gewichtsentwicklung (von schlechter Zunahme bis übermäßige Zunahme ist alles möglich)
  • ggf. optische Auffälligkeiten (z.B.: zurückliegender Unterkiefer, herzförmige Zunge, flache oder löffelförmige Zunge beim weinen)
  • Koliken, Blähungen, Bauchschmerzen
  • Erbrechen, übermäßiges Spucken, Reflux-Symptomatik
  • Baby lässt sich an der Brust nicht beruhigen, Überstreckt sich nach hinten
  • frustranes Stillen bis zum Stillstreik 
  • schlechtes Aufstellen der Lippen zum Saugen
  • deutliche Atemgeräusche, Schnarchen
  • Probleme meist auch bei der Flaschenfütterung

Das Herausstrecken der Zunge sagt überhaupt nichts über das nicht vorliegen eines kurzen Zungenbandes aus.  Dieser "Test" der oft erfolgt, ist keine Funktionsüberprüfung! Zudem wachsen sich Zungen- und Lippenbänder  nicht aus. Sie bleiben ein Leben lang erhalten  und es kommt zu unvorteilhaften Kompensationsmustern des Körpers.


Ein Verdacht auf orale Restriktionen sollte sich niemals auf ein einzelnes Indiz stützen. Viele der Indizien bzw. Symptome können auch diverse andere Ursachen haben. Diese gilt es erst einmal zu erkennen und zu beheben. Eine gute Stillberatung und langfristige Begleitung ist also das A und O. Ein kurzer Kontakt via Telefon, Mail, Online gepaart mit ein paar Fotos und Videos reicht nicht. Weder zur Stillberatung noch zum Erkennen/Ausschließen von oralen Restriktionen.

 

Verbessern sich die Symptome trotz Stillberatung und Optimierung des Stillens, des Stillmanagements und des Handlings nicht in angemessener Zeitspanne, sollte ein Profi in dem Bereich schauen. Das Bedeutet z.B.: Sieht das Stillen für die Hebamme, Stillberaterin gut aus, tut aber trotzdem weh, stimmt was nicht. Stillen sollte niemals wehtun!

 

Das gesamte System funktioniert wie Zahnräder, laufen einzelne nicht rund,  bricht irgendwann das gesamte Werk zusammen. Es kann dabei durchaus sein, dass es kurz nach Geburt zu Problemen kommt, ich sehe aber auch sehr oft, das es anfangs gut klappt und nach 4-8 Wochen kommt es zu Problemen. Bei anderen aber ggf. auch erst nach dem Durchbruch der Frontzähne oder bei der Beikost.

Wieder andere haben kein zu kurzes Zungenband, sondern eine erworbene falsche Zungenruhelage (z.B. durch Schnuller, Daumenlutschen) oder es ist schlichtweg einfach ein anatomisches Problem des Gaumens oder anderer Schädelstrukturen, die sich auf muskulärer Ebene auf das Saugen/Essen auswirken.


Vorgehen bei Verdacht auf kurzes Zungenband und Co.

 

Besteht der Verdacht auf orale Restriktionen sollte interdisziplinär und fachlich kompetent beraten und begleitet werden.

 

(Unter www.DEFAGOR.de finden Sie neben mir auch kompetente Kolleginnen, deutschlandweit.)

  1. Kontaktierung  einer erfahrene und gut fortgebildete Fachperson, die orale Restriktionen in ihrem Gesamtkomplex erkennen und beurteilen kann, bei Stillkindern entsprechend fortgebildete Stillberaterin              
  2. ausführliche Anamnese, Funktionsüberprüfung der oralen Strukturen, ganzheitliche Beratung der Mutter-Kind-Dyade unter Berücksichtigung aller Aspekte und Symptome von Mutter und Kind                                            
  3. Optimierung der Gesamtsituation u.a. auch durch einleiten weiterer Diagnostik/Abklärung, körpertherapeutischer Maßnahmen etc., idealerweise durch ein interdisziplinäres gut eingespieltes Team. Denn oft sind falsche Bewegungsmuster und Kompensationsmechanismen verinnerlicht, die erst einmal behoben werden müssen                                         
  4. Klärung ob und wann eine operative Behandlung      notwendig ist, Weiterleitung an fortgebildete Ärzte, die in der Lage sind eine vollständige Trennung  in Funktion durchzuführen und die interdisziplinär arbeiten.                                                                                   
  5. Was an Übungen und aktivem Wundmanagement nach der vollständigen Trennung erforderlich ist, und wie lange, wird individuell mit dem Arzt bzw. der Stillberaterin abgestimmt. Auch im Anschluss ist eine weitere körpertherapeutische Begleitung sinnvoll. 



Das sollten Sie beachten:

Vorbereitung und Nachsorge nach einem Eingriff sind genauso wichtig wie der Eingriff selbst. Eine Trennung ist Teil eines Prozesses und kann alleinig nicht zum selben Ergebnis kommen wie eine stilltherapeutische Begleitung mit Vor- und Nachsorge. Wie lange dieser Prozess dauert, ist abhängig von vielen Faktoren.                                                                                                                                                                        Eine Frenotomie ermöglicht lediglich Bewegung aber keine Funktion. Funktion braucht Training, Umlernen, Zeit und individuelles Vorgehen.                                               
Nicht jede Stillberaterin, Hebamme, jeder Arzt oder Therapeut ist geschult im Bereich der oralen Restriktionen. Meiner Erfahrung nach sind nur wenige wirklich kompetent, aber viele verdienen daran.  Informieren Sie sich daher genau.                                                                                                                                    
Vorsicht vor reiner Online-Videoeinschätzung und "Diagnosestellung" gepaart mit einigen Videos und Fotos. Eine reine Online-Video Begutachtung ist extrem aufwendig und erfordert sehr viel Kompetenz von Seiten der Beraterin und eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Eltern. Hier findet keine Zeitersparnis statt, im Gegenteil.  Macht Ihnen jemand ein Angebot zur Online Begutachtung, inkl. Durchsicht einiger Fotos und Videos, seien Sie kritisch. Wird auch direkt die Empfehlung zur Terminvereinbarung mit einem Arzt ausgesprochen, wird es eher ein Quickfix, als eine gute Begleitung.                                                                                   
Ist ein Trennungstermin dringlich erforderlich wird die Stillberaterin die Notwendigkeit mit dem Arzt besprechen, damit ein zeitnaher Termin gefunden werden kann. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Lassen Sie sich nicht verunsichern oder unter Druck setzen mit Aussagen: "ab Monat x wird nicht mehr getrennt", "sie warten Monate auf einen Termin" oder "dann wird ihr Kind die Folgen tragen".   Zudem sollte Ihnen die Wahl gelassen werden d.h. idealerweise haben sie mehrere Ärzte zur Auswahl. (Oftmals sind die Anfahrtszeiten aber recht groß.)                                                                                            


Was ich Ihnen anbieten kann:

  • Eine ganzheitliche und individuelle Begleitung auf Ihrem Weg. Ich empfehle eine Trennung nur, wenn sie auch notwendig ist. Natürlich begleite ich Sie auch wenn Sie sich dagegen entscheiden. Dann werde ich versuchen mit Ihnen gemeinsam das bestmöglichste Ergebnis zu erzielen. 
  • Mehr als 10 Jahre Erfahrung in der klinischen und häuslichen Still- und Laktationsberatung.
  • Ich bin Mitglied bei DEFAGOR,  und somit zur fortlaufenden Weiterqualifizierung und Fortbildung verpflichtet, was für mich aber in meinem Beruf eine Selbstverständlichkeit ist. (Allein 2020 waren es mehr als 50 Fortbildungsstunden.)
  • Seit Jahren begleite ich Familien im Bereich oraler Restriktionen, inkl. Vor- und Nachsorge um eine Frenotomie im Großraum Eifel/Ostbelgien (alles zwischen Bonn, Koblenz, Aachen, Trier, Luxemburg, Ostbelgien).
  • Auch überregionale Begleitung, wenn min. 1 Präsenztermin stattgefunden hat mit Hilfe von Telefon und Online-Video-Chat,
  • reine Online-Video-Chat Begleitung nur in Ausnahmefällen
  • Netzwerkpartner, auch überregional

weiterführende Links:

DEFAGOR - deutsche Fachgesellschaft zur Behandlung oraler Restriktionen e.V.

#notaquickfix

das zu kurze Zungenband:  Beurteilen und begleiten Daniela Karall/Martha Guóth-Gumberger aus Laktation und Stillen 2/2026

geschlossene facebook Gruppe für betroffene Familien zum Thema kurzes Zungenband/Lippenband:

Unterstützung bei Zungenband/Lippenband (Tongue Tie Support Germany) DEFAGOR