Mal eben schnell Abstillen - funktioniert nicht

11. August. 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Abstillen - es klingt so einfach.

Nicht selten hören Mütter den Satz: "Willst Du nicht mal langsam Abstillen, Dein Kind ist doch alt genug."

oder "Dann hör halt einfach auf mit dem Stillen."

Aber so einfach ist das nicht.

 

Stillen ist ein Prozess. Allein schon die Milchbildung verläuft in mehreren Phasen. Wer sich denkt, einfach mit dem Anlegen aufhören und alles ist abgestillt und in Ordnung, der irrt sich gewaltig. Anfangs erfolgt die Milchbildung hormonell gesteuert, selbst wenn hier bereits Abstilltabletten eingenommen werden, bedeutet das nicht, dass es keinerlei Milchbildung gibt und körperliche Beschwerden vollends ausbleiben.

 

Nach dem sogenannten Milcheinschuss erfolgt die Milchbildung nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage. Je mehr die Brust Stimuliert wird, desto mehr Milch wird auch produziert. Wird nun abrupt abgestillt, verschwindet die produzierte Milch ja nicht einfach. Wird die Brust leergepumpt, wird auch neue Milch gebildet und diese bleibt in der Brust, auch wenn nicht gestillt wird. Die gebildete Milch wird peu-a-peu vom Körper Rückresorbiert. Das dauert allerdings.

 

Die Folge sind die Erscheinungen ähnlich eines Milchstaus und eines grippalen Infektes oftmals min. 3-4 Tage anhalten:

  • schmerzhafte Brüste
  • pralle, harte Brüste
  • Rötungen
  • Fieber bis 38°C
  • Knoten und Verhärtungen
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • grippeähnliche Symptome

 

Allerdings gibt es auch sehr viele Frauen, bei denen diese Symptome deutlich länger anhalten oder immer wieder auftreten. Entscheidend ist hier wie schnell das Abstillen erfolgt und wie hoch die Stillfrequenz und wie ausgeprägt die Hormonsituation zuvor war.

 

Abstillen bedeutet aber auch eine psychische Belastung von Mutter und Kind. Die Hormone Prolaktin (hebt die Stimmung der Mutter und macht sie gelassener) und Oxytocin (Bindungshormon) fallen bei einem zu schnellen Abstillen rapide ab. Daher kann es zu folgenden Erscheinungen kommen:

  • starke Verlustgefühle
  • starke Traurigkeit
  • ausgeprägte Unruhe beim Kind
  • Schreiattacken des Kindes
  • Kind schläft sehr schlecht und wenig
  • kurz nach Entbindung steigt das Risiko für eine Wochenbettdepression der Mutter
  • Schlafstörungen der Mutter
  • Mutter ist schnell gestresst und genervt, deutlich weniger gelassen

 

Abstillen ist ein Lösungsprozess zwischen Mutter und Kind - körperlich und auch emotional und benötigt Zeit. Ein falsches Abstillen kann ein traumatisches Ereignis für  Mutter und/oder Kind sein und entsprechende Folgen haben. Und wer glaubt, das nächtliches Abstillen das Durchschlafen des Kindes fördert, der liegt leider ganz falsch.

 

Besonders da wir Menschen im gesamten ersten Lebensjahr auf Muttermilch bzw. Säuglingsanfangsnahrung als Hauptnahrung angewiesen sind. Auch der Verzicht auf nächtliche Nahrung kann daher nicht am Alter des Kindes, sondern nur an seiner individuellen Entwicklung festgemacht werden. Ein Kind, das nachts noch mehrmals gestillt wurde, egal wann innerhalb des ersten Lebensjahres, kann nicht von jetzt auf gleich auf diese Kalorien verzichten und/oder einfach tagsüber mehr essen.

 

Das natürliche Abstillalter eines Kindes liegt im übrigen bei 3-5 Jahren. Die WHO empfiehlt ein gesundes und reif geborenes Neugeborenes, die ersten sechs Monate ausschließlich zu stillen, also ohne die Zufütterung von Wasser, Tee oder anderen Flüssigkeiten. Zudem empfiehlt Sie bis zum  zweiten Lebensjahr und darüber hinaus weiter zu stillen, solange Mutter und Kind es wünschen.

 

 

Was ist Abstillen eigentlich?

  • Abstillen bedeutet das Dein gestilltes Baby/Kind an eine andere Nahrung gewöhnt wird.
  • Dein Kind wird letzten Endes vollständig von der Brust entwöhnt.
  • Die Brustdrüsen in deiner Brust stellen die Milchbildung vollständig ein.

 

Dabei gibt ganz verschiedene Möglichkeiten des Abstillens:

 

Natürliches Abstillen:

  • Das bezeichnet, das vom Baby gesteuerte, bedürfnisorientierte Abstillen. Dies führt in der Regel zu einer Stilldauer von 2,5 Jahren und deutliche mehr.

 

Primäres Abstillen:

  • Erfolgt meist bis spätestens zwölf Stunden nach der Entbindung, meist durch Medikamente. Aber es ist auch ein Abstillen ohne Medikamente möglich. Diese Entscheidung kann auch rückgängig gemacht werden. Das sollte allerdings nicht ohne Beratung erfolgen. Suche Dir dazu eine erfahrene Still- und Laktationsberaterin bzw. Hebamme.

 

Plötzliches Abstillen:

  • Ist sehr selten nötig geworden. In der Regel erfolgt es nur noch bei sehr schwerwiegenden Erkrankungen. Auch stillfreundliche Medikamente machen ein Abstillen unnötig. Infos über die Einnahme von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit, bekommst Du auch unter embryotox.de und reprotox.de. Körperliche Beschwerden sind hier vorprogrammiert.

 

Allmähliches Abstillen:

  • Hier übernimmt die Mutter die Steuerung, indem sie nach und nach Stillmahlzeiten durch Flaschennahrung oder Beikost/Familienkost ersetzt. Zwischen dem ersetzen einzelner Mahlzeiten sollte mindestens sieben Tage, besser länger liegen. Dann kommt es zu geringeren körperlichen Beschwerden.

 

Teilweises Abstillen:

  • Hierzu gehört auch das nächtliche Abstillen. Einzelne oder mehrere Stillmahlzeiten werden, je nach Alter des Kindes, entweder durch Flaschennahrung ersetzt, oder komplett ausgeschlichen. Auch hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten.

 

Insgesamt sollte immer ein natürliches und allmähliches Abstillen der medikamentösen Variante vorgezogen werden.

 

Warum? -  Weil konservative Möglichkeiten einen ähnlich guten Erfolg bieten, dabei aber deutlich weniger Nebenwirkungen haben. Oftmals kommt es bei einem medikamentösen Abstillen, das später als 3-4 Wochen nach Geburt vollzogen wird zu körperlichen Beschwerden wie massiven Kreislaufproblemen, Gereiztheit und starken Stimmungsschwankungen.  Zudem haben diese Tabletten bei etwa 10% der Mütter einen Rebound-Effekt, d.h. die Milchbildung setzte wieder ein sobald die Tabletten abgesetzt werden. (Besonders wenn die Einnahmezeit weniger als 10 Tage beträgt).

 

Bis die Milch ganz versiegt kann es Wochen, bei einigen Frauen sogar Monate dauern. Je öfter es in dieser Zeit wieder zu Stimulation und Manipulation an der Brust und Brustwarze kommt, desto länger kommt meist, zumindest tropfenweise, noch Muttermilch.

 

Daher bedenke: auch jedes kurze abpumpen zur Erleichterung regt auch wieder etwas an. Beim Abstillen solltest Du Dich also gut beraten und unterstützen lassen. Nicht nur wie ein Abstillen möglich ist, sondern auch ob es wirklich nötig und von Dir gewünscht ist.

 

Allerdings kannst Du grundsätzlich jederzeit Abstillen - es ist halt nur mit entsprechenden Auswirkungen zu rechnen und auch ein Abstillen kann rückgängig gemacht werden. Lese dazu: Relaktation: Neubeginn nach vorzeitigem Ende

 

 

                                                  Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

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