Schlafstörung - Was ist das eigentlich?

22. Januar 2019

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Schlafberaterin 1001 Kindernacht

 

Wer mich kennt weiss, dass ich ein persönliches Problem mit dem Begriff "Schlafstörung bei Kindern" habe. Daher möchte ich Euch einmal erklären, was eine Schlafstörung überhaupt ist und warum sie bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren eigentlich nur extrem selten vorkommt. Obwohl etwa 90 % der Eltern irgendwann einmal sagen, mein Kind hat eine Schlafstörung.

 

Also, was ist das genau?

 

Die offizielle Definition des Begriffes Schlafstörung lautet:

 

Eine Schlafstörung liegt vor, wenn der Schlaf  subjektiv oder objektiv

  • zu kurz oder zu lang ausfällt,
  • zu häufig unterbrochen wird
  • oder nicht erholsam ist

– wenn also Schlafdauer, Schlafzyklen oder Schlafstadien vom normalen Schlaf abweichen oder die Tagesbefindlichkeit des Betroffenen beeinträchtigt ist.

 

Chronische Schlafstörungen liegen vor, wenn der Betroffene pro Woche drei Nächte nicht richtig schlafen kann und dieser Zustand länger als einen Monat anhält.

Quelle: https://www.onmeda.de/schlafen/schlafstoerungen-definition-2341-2.html

 

So und wer beurteilt das Ganze? An erster Stelle stehen da wir Eltern. An zweiter Stelle dann meist der Kinderarzt, dem wir unseren Eindruck und unseren Leidensdruck berichten. Fertig ist die "hausgemachte" Schlafstörung.

 

Denn mal ehrlich, wer von uns normalen, nicht geschulten Erwachsenen weiss denn, wann die Schlafdauer, der Schlafzyklus oder ein Schlafstadium vom normalen Schlaf abweicht? Ich behaupte 99 % wissen es nicht.

 

Was passiert also? Der Kinderarzt hört sich an, was wir Eltern zu sagen haben. Klassische Beispiele sind da:

  • Mein Kind braucht abends Ewigkeiten bis es einschläft.
  • Es will nur auf meinem Arm einschlafen.
  • Ich muss immer Stillen damit es einschläft.
  • Es schläft nicht im eigenen Bett, sondern bei uns.
  • Es meldet sich nachts sehr oft.
  • Ich bin so müde, weil ich nicht schlafen kann und ständig geweckt werde.
  • Ich muss auch mal was anderes tun, als den ganzen Abend im Schlafzimmer zu verbringen.
  • Ich muss morgens auch früh raus, das geht so einfach nicht.

usw. usw. - Hierbei ist es ganz egal wer von den Eltern spricht - hier denkt oftmals jeder etwas ähnliches.

 

Aber was beschreiben wir da eigentlich? Genau... unsere Wahrnehmung und unsere Empfindung. Wir können ja gar nicht aus der direkten Sicht unseres Kindes sprechen, denn in der Regel kommunizieren die Kinder in den ersten Lebensjahren ja nur non-verbal und durch schreien. 

Wir nehmen uns also heraus zu entscheiden, wann das Kind müde ist. Wann es ausgeschlafen hat. Wie es einschlafen möchte und welche Bedürfnisse gerade befriedigt werden müssen. Und genau hier passieren oft Fehler. Besonders in den ersten zwölf Lebensmonaten müssen wir die Kommunikation mit unseren Kinder ja erst einmal üben.

 

Die meisten Erwachsenen fangen also an zu überlegen: ist ein Kind eine gewisse Zeitspanne wach, muss es ja müde sein und schlafen. Warum schläft es dann jetzt nicht, sondern schreit? Das Kind ist satt,meine ich, hat eine frische Windel, einen Schnuller und wurde getragen, warum schläft es jetzt nicht?

 

Die Antwort ist einfach: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

 

Zudem hat die Evolution an unseren Genen und Ur-Instinkten seit der Steinzeit nichts mehr geändert, denn was funktioniert bleibt erhalten. Unsere Kinder sind Steinzeitkinder und hier kollidiert das System des modernen Menschen mit der Natur. Das Gehirn benötigt Zeit, um sich zu entwickeln. Es verdreifacht sein Volumen innerhalb des ersten Lebensjahres, dass wirkt sich auf alle Systeme des Körpers aus. Ein Baby muss das korrekte Saugen üben, seine Instinkte helfen dabei. Kommt ein Kind als Frühchen zur Welt muss je nach Schwangerschaftswoche sogar das gleichzeitige Atmen, Saugen und Schlucken erlernt und koordiniert werden. Das Gehirn lernt kontinuierlich und vergisst ( für diesen Augenblick) weniger wichtige Dinge.

Kauen und Essen muss es aber lernen, genauso wie Kopfkontrolle, Robben, Drehen, Krabbeln, Sprechen, Laufen, Fahrradfahren, Schwimmen, Lesen, Schreiben, Rechnen usw..

 

Babys und Kinder schlafen anders als wir Erwachsenen und genau das macht es uns so schwer. Schlafzyklus, Schlafrhythmus, Schlafbedarf, Schlafumgebung: alles ist individuell von Mensch zu Mensch verschieden. Warum lassen wir das nicht bei unseren Kindern zu?

 

Ein Baby muss das Einschlafen nicht lernen, sondern es muss lernen das es in jeder Situation geborgen und sicher ist und seinen Eltern zu 100% zu wirklich jeder Tages- und Nachtzeit vertrauen kann. Ein Baby das allein gelassen wird, bzw. das alleine Schlafen soll wird nicht einschlafen können, wenn es dieses Vertrauen nicht hat.  Vertrauen muss erst aufgebaut werden und Vertrauen muss man sich verdienen. Das weis jeder Erwachsener. Und auch Euer Baby weis - allein bin ich nicht fähig zu überleben. Das hinter der Tür das Leben sicher weitergeht, kann es aufgrund seiner Hirnentwicklung noch gar nicht erfassen.

 

Niemand von uns würde seinem Partner Vorschriften machen, wann dieser Müde zu sein hat, wieviel er dann schlafen darf und wie sich der Schlafplatz gestaltet, oder?

 

Echte Schlafstörungen im Kindesalter, besonders innerhalb der ersten drei Lebensjahre sind selten und gehen meist auf ein massives gesundheitliches Problem zurück. Das was die meisten Erwachsenen als Schlafstörung bei einem Kind formulieren, ist meist nichts weiter als eine falsche Erwartungshaltung an die Bedürfnisse und die Entwicklung des Kindes, gepaart mit Unwissenheit über die physiologische Schlafentwicklung und leider oft auch gesellschaftlicher Druck an alten Erziehungbildern festzuhalten.

 

                                                 Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

Copyright © 2019 Andrea Böttcher