Stillempfehlung gemäß WHO - denn Muttermilch ist die normale Ernährung des Säuglings

6. Juni 2019

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Schlafberaterin 1001 Kindernacht

Ich möchte es an dieser Stelle wieder einmal betonen: Ja, es gibt sie, die Stillempfehlungen der WHO und sie gelten weltweit und nicht nur für Entwicklungsländer. Seit langem sind die Stillraten in Deutschland bereits rückläufig und das trotz etlicher Stillförderungsmaßnahmen.

 

Aber solange Familien nicht einheitliche Informationen bekommen und die Unterstützung die sie im richtigen Augenblick benötigen ist es schwer in diesem Informations- und vor allem auch Werbe-Dschungel den Überblick zu bewahren.

 

Hier also noch einmal eine kurze Zusammenfassung bzgl. der Stillempfehlungen für Säuglinge laut WHO:

 

Dir grundsätzliche Empfehlung lautet:

 

ausschließliches Stillen in den ersten 6 Monaten (180 Tage)

gefolgt von der Einführung der Beikost unter dem Schutz des Stillens

und dem Weiterstillen bis zum Alter von 2 Jahren und darüber hinaus, solange es Mutter und Kind wünschen

Untersuchungen haben gezeigt das ein ausschließliches Stillen, in den ersten 6 Monaten,  keine gesundheitlichen Nachteile für ein Kind mit sich bringt, im Gegenteil. Ein begleitendes Stillen bis über das 2. Lebensjahr hinaus zeigt u.a. gesundheitlich viele Vorteile.

 

Ausschließliches Stillen bedeutet, das ein gesundes und reif geborenes Kind keinerlei Flüssigkeiten oder Nahrung in den ersten 6 Monaten zusätzlich benötigt, solange es nach Bedarf gestillt wird. das Stillen nach bedarf ermöglicht auch die volle Ernährung von Mehrlingen.

 

Die Beikost sollte unter Beachtung der Beikostreifezeichen eingeführt werden, in der Regel haben die meisten Kinder diese Beikostreife auch erst um den 6. Lebensmonat herum erlangt. Aber auch wenn Dein Kind erst im 7. Lebensmonat so weit ist, ist das vollkommen in Ordnung. Beikost bedeutet ja zur Milch und nicht Ersatz der Milch. Grundsätzlich sind die Kinder im ersten Lebensjahr noch auf die Inhaltsstoffe der Muttermilch angewiesen.

 

Gestillte Kinder haben im Vergleich zu Flaschenkindern ein deutlich verringertes Risiko für Magen-Darm-Erkrankungen, Mittelohrentzündung und Atemwegsinfekten. Ebenfalls sinkt das Risiko für späteres Übergewicht, Diabetes und besonders das Risiko einen SIDS zu erleiden sinkt sehr deutlich. Stillen fördert zu dem die Sprach- und kieferorthopädische Entwicklung und wirkt präventiv gegenüber Allergien. Und auch die Mutter profitiert von einer längeren Stillzeit: sie reduziert das eigene Risiko z.B. für Osteoporose, Brustkrebs, Eierstockkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes deutlich. Der protektive Effekt steigt hier mit jedem Tag etwas mehr.

 

Die Muttermilch "lebt", im Gegensatz zur Flaschennahrung und passt sich immer wider in aktuellen Bedürfnissen des Kindes an. So ist die Muttermilch auch nach dem 6. Lebensmonat sehr wertvoll, denn neben der Ernährungskomponente spielt hier die Abwehr eine große Rolle. Der Nestschutz ist hier weitgehend abgebaut, das Immunsystem trainiert aber noch. Die Muttermilch enthält jetzt besonders viele Abwehrstoffe, um das Kind vor Erkrankungen zu schützen. Und auch die Einführung der Beikost wird unter dem Schutz der Muttermilch deutlich besser vertragen.

 

Immer wieder fragen mich Mütter, ob es stimmt das die Muttermilch nach dem 6. Lebensmonat nicht mehr ausreicht, um ein Kind gut zu ernähren. Einigen wurde sogar gesagt, dass die Qualität der Milch dann nicht mehr ausreicht und ein Abstillen notwendig ist. Das ist einfach falsch!

 

Zum einen ist Stillen viel mehr als nur Nahrung:

Sicherheit, Liebe, Nähe, Geborgenheit, intensive Zeit für Mutter- und Kind, eine kleine Pause vom Alltag.

 

Zum anderen reduziert Stillen ja auch Stress und Schmerzen, es entspannt und gerade im zweiten Lebenshalbjahr kommt sehr viel auf einen Säugling zu: massive Hirnreifung mit z.B.: motorische und emotionale Entwicklung, Fremdeln, Entwicklung der Wahrnehmung und dadurch oft Reizüberflutung; Zahnen, erhöhte Infektanfälligkeit, Beikosteinführung, Wachstumsschübe, Veränderungen im Schlafverhalten.

 

Das sind nur einige Beispiele. Ein Säugling kann sich noch nicht alleine regulieren, dafür ist es bzgl. seiner Hirnreife noch gar nicht in der Lage. Stillen und der intensive Hautkontakt dadurch ist die von der Natur gegebene Regulationsmöglichkeit für einen Säugling.

 

Und zum Qualitativen Inhalt der Muttermilch, nach dem 6. Lebensmonat, möchte ich Euch folgendes verdeutlichen,

500ml Muttermilch am Tag, decken dann:

  • 31% des Energiebedarfes
  • 38% des Eiweißbedarfes
  • 94% des Bedarfes an Vitamin B12
  • 80% des Bedarfes an Vitamin A
  • 60% des Bedarfes an Vitamin C
  • 76% des Bedarfes an Folsäure
  • 40% des Bedarfes an Calcium

Und dabei sind 500ml Muttermilch gar nicht mal so viel. Viele Kinder in dem alter trinken mehr als das Doppelte an Menge. Die Kinder holen sich, was sie brauchen. Das ist ein instinktives Verhalten, dass nur gestört wird, wenn ein Kind erkrankt ist, oder wir uns einmischen.

 

Auch für die Beikost gibt es entsprechende Empfehlungen der WHO, so sollte mit kleinen Portionen begonnen und die Portionsgröße mit zunehmendem Alter des Kindes langsam gesteigert werden. Die Ernährung sollte verantwortungsvoll gestaltet werden, die Konsistenz dem Entwicklungsstand des Kindes angepasst sein und Hunger- und Sättigungsgefühle des Kindes sind zu beachten.

 

2-3 Beikostmahlzeiten reichen im Alter von 6-8 Monaten aus. ein 8-12 Monate altes Kind sollte 3-4x täglich etwas angeboten bekommen. beachtet aber bitte: ihr macht das Angebot und entschiedet was das Kind isst. Euer Kind entscheidet dagegen wann es überhaupt mit der Beikost beginnt und wann es wieviel isst.

 

Es ist also überhaupt nicht nötig und bringt dem Kind keinerlei gesundheitlichen Vorteile, die Beikost möglichst früh zu beginnen und möglichst schnell das Stillen durch große Mengen Beikost zu ersetzen. Im Gegenteil: die Vorteile der Muttermilch überwiegen auch im zweiten Lebensjahr, ab diesem Zeitpunkt ist Beikost allerdings eine wichtige Ergänzung.  Gesundheitliche oder entwicklungstechnische Nachteile hat ein Kind jedoch zu keiner Zeit durch das Stillen oder die Muttermilchernährung.

 

                                                     Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

Copyright 2019

 

 

Die gesamte Empfehlung der World Health Organization (WHO) 2003, findet ihr unter: „Guiding principles for complementary feeding of the breastfed child“

 

weitere Infos: