Viele kurze Mahlzeiten bedeuten zu wenig Muttermilch?

18. September 2018

 

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Ich denke diesen oder einen ähnlichen Satz haben die meisten stillenden Frauen irgendwann einmal gehört?

Aber woran liegt das?

 

Nun zum einen hat die Brust keine Füllskala wie eine Flasche an der sich ablesen lässt, wieviel Muttermilch enthalten ist und wie viele Milliliter das Kind getrunken hat. Dieser Aspekt verunsichert viele. Wir Menschen sind einfach darauf gepohlt für alles Zahlen und Messwerte zu haben. Wir müssen uns immer rückversichern, das das, was wir machen, auch richtig ist. Zahlen und Skalen bieten hier vielen Menschen eine trügerische Sicherheit.

 

Denn, zum anderen werden meistens  die Werte für Trinkmengen von Babys durch Laien (aber auch von so manchen "Fachleuten") immer in einen Zusammenhang mit den Werten auf einer Säuglingsnahrungspackung verglichen. Hier stehen aber je nach Hersteller, Nahrung und Alter des Kindes meist Trinkmengen für 6-8 Mahlzeiten mit einer entsprechenden Angabe von Millilitern.

 

Der Unterschied ist aber, das Säuglingsnahrung eine ganz andere Zusammensetzung aufweist als Muttermilch.

 

PRE-Nahrung ist die Bezeichnung für die Säuglingsanfangsnahrung. Sie ist von allen existierenden künstlichen Säuglingsnahrungen diejenige, die der Muttermilch am ähnlichsten ist. Aber auch diese enthält gravierende Unterschiede zur Muttermilch.

 

PRE-Nahrung kann wie Muttermilch auch ad-libitum, also ganz nach Bedarf gefüttert werden. Als einziges Kohlenhydrat enthält PRE Milchzucker als Stärke, wie auch die Muttermilch und ist das gesamte erste Lebensjahr als Milchnahrung geeignet und ausreichend. Eine Umstellung auf eine andere Nahrung ist unnötig.

 

Wusstest Du das Muttermilch meist sogar etwas mehr Kalorien enthält als Säuglingsnahrung?

 

 PRE enthält mit knapp 66 kcal/100ml genauso viel Kalorien wie eine 1er-Folgenahrung - zum Vergleich, Muttermilch liefert auch etwa 68 kcal/100ml (von Frau zu Frau gibt es hier leichte Abweichungen).

 

Die Zusammensetzung macht den Unterschied!

Während eine PRE-Nahrung immer die gleiche Zusammensetzung aufweist, ist Muttermilch eine sehr individuelle und sich ständig verändernde "Mischung".

 

 

Die Dauer des Saugens an der Brust sagt dabei überhaupt nichts darüber aus, wie viele Nährstoffe das Kind eigentlich zu sich genommen hat. Selbst die Menge an getrunkener Milch gibt hier keine konkreten Angaben!

Entscheidend ist, das die Brust gut geleert wird.

 

 

Warum das so ist?

Nun einfach ausgedrückt, das Fett in der Muttermilch setzt sich am Rand der "Milchdrüsen" ab, durch das Zusammenziehen (durch das Saugen) löst sich das Fett vom Rand und mischt sich mit der Milch. Der Fettgehalt der Muttermilch ist daher mit zunehmender Entleerung der Brust höher. Da können viele kleine Mahlzeiten eine kalorienhaltige und nährstoffreiche Portion darstellen.

 

Wenn Du schon einmal Muttermilch abgepumpt hast, hast Du einen ähnlichen Effekt bereits beobachten können. Das Fett haftet oben auf der Milch, bzw. am Rand des Behälters. Erst mit zunehmender Bewegung des Behälters mischt sich das Fett wieder unter, nur das beim Saugen an der Brust parallel zum Mischen auch Milch entleert wird.

 

Ein weiterer Unterschied ist: Muttermilch ist viel leichter verdaulich als künstliche Säuglings(anfangs)nahrung!

Denn das Eiweiß ist arteigenes Eiweiß und somit besser verträglich. Zudem liefert die Muttermilch direkt noch einige verdauungsfördernde Enzyme gleich mit. Die Verdauung verläuft schneller und es ist eher wieder Platz für neue Nahrung und neue Energie.

 

Die Natur hat Dein Baby und Deine Muttermilch sehr genau auf einander abgestimmt. Dein Baby benötigt besonders im ersten Jahr sehr viel Energie und Eiweiß, um zu wachsen und um sich zu entwickeln. Besonders das Gehirn und die Nervenverbindungen benötigen eine regelmäßige Zufuhr von hochwertigen Nährstoffen und genau deshalb ist die Muttermilch so konzipiert, das sie leicht aber dabei optimal verdaulich ist und immer dann gefüttert werden kann, wenn das Kind  Nahrung benötigt.

 

Ganz normal sind daher viele kleine Portionen, um eine kontinuierliche Nährstoffversorgung zu gewährleisten. Mehr als 10x Stillen in 24 in Stunden können da ganz natürlich sein. Natürlich gibt es dabei auch Kinder, denen 8 Stillmahlzeiten ausreichen, aber den Bedarf und die Regelmäßigkeit bestimmen die Kinder und nicht die Erwachsenen mit der Stoppuhr.

 

Daher sollten die angegebenen Trinkmengen auf einer Nahrungspackung auch nicht als Richtwerte gesehen werden. Denn eine Trinkmenge ist immer abhängig von ganz vielen verschiedenen Faktoren. Allen voran z.B.: Alter, aktuelles Gewicht und ob ein Kind gerade in einer Wachstums- und/oder Entwicklungsphase steckt. Dann benötigen die Kinder meist viel mehr Milch, wie auch nach einer Erkrankung.

 

Häufiges Anlegen stimuliert zudem die Milchbildung. Daher ist besonders in den ersten Wochen und Monaten drauf zu achten, das Dein Kind regelmäßig stillt. Besonders kurz nach Entbindung ist es Wichtig die Milchbildung bis auf ein maximum zu steigern. Anfangs wird die Milchbildung noch hormonell gesteuert, nach einiger Zeit jedoch mehr durch das Prinzip: Angebot und Nachfrage. Wer am Anfang dann "nur" 6x/tgl. oder weniger gestillt hat, wird nach der Umstellung nicht immer den steigenden Bedarf eines Babys decken können. Wenn es nicht zuvor schon zu Auffälligkeiten in der Gewichtsentwicklung gekommen ist.

 

Du siehst: Milchbildung und Stillen überhaupt ist etwas sehr individuelles. Es gibt keine Richtwerte die Dir sagen wie viele Stillmahlzeiten, wie viele Kalorien in welcher Muttermilchmenge effektiv liefern. Mit Säuglingsnahrung ernährte Kinder trinken oftmals weniger häufig, weil die Nahrung länger im Darm verdaut werden muss. Auch das kostet Energie, dadurch sind die Portionsgrößen dann häufig größer, denn der Grundbedarf ist der gleiche.

 

Daher wage ich die Worte: auch für ein mit PRE ernährtes Kind ist es physiologisch sinnvoller, mehr kleinere Portionen zu trinken als wenige große, allein schon um den konstanten Nährstofffluss zu gewährleisten. Und im Endeffekt kommt es von der Menge her auf das selbe heraus: 6-8x 60ml sind 360-480ml, 8-11x 45ml sind aber auch 360-495ml.

 

Vermutlich sind die Magen-Darm-Symptome wie: Spucken, Blähungen, Koliken, Probleme bei der Stuhlausscheidung aber geringer.

 

                                                        Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

Copyright © 2018 Andrea Böttcher